Dienstag, 23. Juni 2015

2. Schwangerschaft - 3. Trimester

Vor diesem Post graut es mich ein wenig, weil dann die ganzen unglücklichen Tage wieder hochkommen werden, aber heute raffe ich mich mal zum Schreiben des ersten Teils auf.

Das dritte Trimester begann mit der 29. Schwangerschaftswoche und dauerte bei mir leider nur bis 30+2, denn an diesem Tag hörte das Herz von Henriette auf zu schlagen.

Bis dahin war immer mächtig Tumult in meinem Bauch. Die kleine war ein richtiger Wirbelwind und ich hatte kaum einen Augenblick, in dem ich keine (starken) Tritte spürte. Dadurch hatte auch mein Mann die Gelegenheit unser Kind zu spüren und zu "sehen", da die Bewegungen auch von außen sichtbar waren. Doch immer, wenn mein Mann seine Hand oder seinen Kopf auf den Bauch legte und mit Henriette sprach, wurde es ganz plötzlich still. Er hatte eine wunderbar beruhigende Wirkung auf unser Kind. Wahrscheinlich war sie immer ganz gespannt und konzentrierte sich auf das, was sie von ihrem Papa dadurch mitbekam.

Da ich einen ziemlich langen Arbeitsweg habe, legte ich während der Fahrt zu der Zeit häufiger eine CD mit klassischer Musik ein. Auch das schien ihr zu gefallen und sie in den Schlaf zu wiegen. So konnte ich mich etwas besser auf die Autofahrt konzentrieren und zwischendurch mal verschnaufen.

Gegen Ende des zweiten Trimesters wurde ich langsam kribbelig und wollte die ersten Kindersachen kaufen. Mein Mann meinte, wir könnten das doch in Ruhe machen, wenn ich nicht mehr arbeiten ginge, aber an einem gemeinsamen Einkaufsnachmittag war die Gelegenheit günstig und wir streiften gemeinsam durch die Neugeborenenabteilung eines Klamottenladens. Eine ganze Kiste voll mit Mädchensachen hatten ich bereits von einer Freundin besorgt, aber ein paar Dinge fehlten in ausreichender Stückzahl und so kauften wir einige Teile ein.

Zu Matratzen, Bett und Autokindersitz hatte ich mich bereits im Internet informiert, aber zusammen mit allen anderen Sachen die wir noch benötigten sollte dies folgen, wenn mehr Ruhe dafür war.

Mittlerweile hatte ich mich auch bei BabyCare angemeldet. Dort bekommt man viele hilfreiche Informationen rund um das Thema Schwangerschaft. Unter anderem kann man seine Essgewohnheiten auf ausgewogene Ernährung analysieren lassen. Worauf ich es aber insbesondere abgesehen hatte, waren Teststreifen für den Vaginalen PH-Wert. Sollte ein ungünstiger Wert festgestellt werden, könnte man wohl Vorsorgen, um eine Frühgeburt zu verhindern. Ich habe die Streifen zwei oder drei Mal angewendet und es war immer alles im Normbereich. Wie bei allen anderen Tests, die wir haben durchführen lassen, auch. Mein Fazit im Nachhinein daraus: Es kann alles gut aussehen und am Ende hat Mutter Natur doch ein anderes Schicksal für uns und unser Kind vorgesehen. Vielleicht sollte man sich einfach relaxt zurücklehnen und die Dinge auf einen zukommen lassen, man kann vermutlich ohnehin nicht ändern was passieren soll und die ganzen medizinischen Möglichkeiten machen einen nur verrückt.

Am 17.3. (30+2) stand die erste Routineuntersuchung im dritten Trimester beim Gynäkologen an. Ich war regelmäßig alle 14 Tage dort und so auch an diesem Tag wieder gleich früh um 7:00 Uhr. Das ließ sich einfach am besten mit der Arbeit in Einklang bringen. [Mein Gott, wie fixiert ich immer auf die Arbeit war. Heute würde ich das nicht mehr so voranstellen...]
Zunächst wurde ich zum zweiten Mal ans CTG angeschlossen. Dadurch, dass die Kleine stets so wild durch den Bauch tobte war es teilweise etwas schwierig die Herztöne einzufangen. Wenn das Gerät sie aufzeichnen konnte, waren sie aber stets total in Ordnung und kräftig. Kräftig hatte ich mittlerweile auch an Gewicht zugelegt. Fast 10 kg konnte ich auf der Habenseite verbuchen. Die Ärztin besprach noch die aktuellen Werte mit mir und meinte so beiläufig, sie sei immer froh, wenn die Wochen 30 bis 32 geschafft seine, weil die nochmal kritisch werden könnten. Davon hatte ich noch nichts gehört und nahm den Satz einfach so hin. Vermutlich betraf er die Thematik Frühgeburten in diesem Zeitraum. Da bei mir/uns alles prima war, der Ultraschall zeigte einen starken Herzschlag, vereinbarte ich den nächsten Termin für den 28.3. und machte mich auf den Weg zur Arbeit.

Der Arbeitstag verlief ganz normal und ruhig. Auf dem Nachhauseweg (so gegen halb sieben am Abend) erschrak ich beim Abbiegen ziemlich stark, weil ich dachte ich hätte einen Fahrradfahrer übersehen. Das war aber zum Glück nur Fehlalarm und es war weit und breit niemand zu sehen. Trotzdem hatte ich in dem Moment einen richtigen Adrenalinstoß und mein Herz schlug ganz aufgeregt. Rückblickend betrachtet glaube ich, dass evt. in diesem Moment etwas mit Henriette passierte. Nicht weil ich erschrocken bin, sondern vielmehr war die Kausalität vermutlich umgekehrt. Aber das ist nur eine Vermutung, denn den Rest des Abends war es ganz ruhig in meinem Bauch. Ich nahm das an dem Tag gar nicht so wahr. Nur als ich abends im Bett lag, wunderte ich mich, dass ich keine Tritte spürte.

Am nächsten Morgen fuhr ich zur Arbeit und spürte immer noch nichts. Ich fand das langsam merkwürdig. Im Laufe des Vormittags versuchte ich Henriette dann mit kleinen Schubsern zu animieren, mir ein Zeichen zu geben. Es tat sich jedoch nichts. In der Mittagspause schlenderte ich durch die Stadt und dachte etwas leichtes gespürt zu haben. Tief in mir drin wusste ich aber, dass das nur eine Einbildung gewesen war. Ich wurde nun doch unruhig und bekam etwas Angst. Bei Recherchen im Internet las ich zwar, das ab der 30. Woche die Bewegungen weniger werden, weil auch der Platz nicht mehr so vorhanden ist, aber der gesunde Menschenverstand sagte mir, dass es bestimmt nicht so plötzlich der Fall sein könne. Um mir keine Vorwürfe machen zu müssen, falls doch etwas mit Henriette sei, beschloss ich eher Feierabend zu machen, um noch bei der Ärztin vorbeizuschauen. Zwar war ich erst gestern dort und wollte nicht als hysterische Schwangere erscheinen, aber sicher ist sicher.

Ich schilderte der Schwester was los war und sie schloss mich direkt ans CTG an. Meinen Mann hatte ich schon vorher informiert, dass etwas nicht stimmte und er traf bald darauf auch bei Frau Dr. S. ein. Ich wusste es direkt, als das CTG keine Herztöne fand... Die Schwester versuchte zwar noch mir gut zuzureden und war der Meinung ganz weit hinten etwas zu hören, mir war aber klar, dass das wenn überhaupt etwas anderes war, nur nicht der Herzschlag unserer Tochter. Es stellte sich direkt ein leichter Schockzustand bei mir ein. Nach einigen erfolglosen CTG-Versuchen wurde ich abgekabelt und kam ins Sprechzimmer. Die Ärztin setzte den Ultraschall an und wurde direkt kreidebleich. Sie suchte und suchte, konnte aber keinen Herzschlag finden. Sie teilte mir das auch gleich ganz berührt mit. Danach holte sie meinen Mann aus dem Wartezimmer und verkündete auch ihm die traurige Nachricht. Ich fühlte mich von diesem Zeitpunkt an wie in Trance. Ich konnte noch gar nicht weinen, alles zog nur so an mir vorbei.

Frau Dr. S. meinte, wir sollen ins Krankenhaus fahren, sie würde uns anmelden. Dort hätten sie bessere Geräte und vielleicht wäre ja doch noch ein leichtes Schlagen zu finden. Mir war aber klar, dass es keine Hoffnung darauf gebe.

Wir fuhren zunächst nach Hause und ich lief wie benommen durch die Wohnung. Ich duschte schnell und wollte ein paar Sachen zusammenpacken, war aber völlig überfordert, was ich denn mitnehmen müsse. Ich wollte aber auch nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, vielleicht war Henriette ja doch noch zu retten. Mittlerweile brach bei mir die Trauer richtig durch. Ich konnte nicht glauben was uns (warum gerade uns?) gerade passiert war.

Wir fuhren in das Krankenhaus, in dem ich auch geplant hatte zu entbinden und wo wir uns die Räumlichkeiten bereits zu einem Vorbereitungsabend angeschaut hatten. Wir klingelten am Kreissaal, die Hebamme wusste bereits Bescheid und wer wir waren. Uns wurde der Vorbereitungsraum zum Warten angeboten und dann folgte eine weitere Untersuchung. Natürlich konnte auch das bessere Ultraschallgerät keinen Herzschlag finden und die Gewissheit wurde endgültig, die traurige Nachricht nochmal bestätigt. Mir krampfte es das Herz zusammen. Ich fühlte mich so hilflos, so machtlos. Die Ärztin sagte, wir könnten nochmal nach Hause fahren wenn wir wöllten und die Nacht im eignen Bett verbringen. Das wollte ich aber nicht, ich wusste ohnehin, dass ich nicht würde schlafen können und das Unvermeidliche noch weiter hinauszuzögern hätte ich nicht ertragen. Ich blieb also dort, im Vorbereitsungszimmer und bekam die erste Dosis Wehenmittel. Mein Mann fuhr nochmal schnell heim, um ein paar Dinge zu holen, an die wir nicht gedacht hatten. Ich versuchte mich derweil mit Fernsehen abzulenken, lag aber die ganze Zeit nur heulend im Bett. Es war eine der (seelisch) schmerzvollsten Nächte, die ich erlebte. Irgendwann kam mein Mann dann wieder und wir heulten beide mit kurzen leichten Schlafphasen, bis es wieder Morgen wurde.


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