Es ist jetzt Sonntag 9:41 Uhr und ich habe Zeit zum Schreiben. Das ist im Allgemeinen doch recht ungewöhnlich. Normalerweise sitzen wir um diese Zeit am Frühstückstisch und danach stehen diverse Putzarbeiten an. Nicht so heute. Ich habe bereits um 7:19 Uhr das Bett verlassen, um dem frisch gesäten Rasen ein Schlückchen Wasser zukommen zu lassen, mit meinem Mann gefrühstückt und das Bad geputzt. Warum wir heute aus dem Trott ausgebrochen sind, dazu folgt jetzt eine lange und ausschweifende Abhandlung.
Zu Beginn warne ich euch vor, ihr Mütter und Väter, die ihr jetzt vielleicht interessiert zu lesen beginnt. Ihr werdet euch vermutlich angegriffen fühlen und mich bereits nach der Hälfte des Posts mit einem Shitstorm belegen. Also hört lieber direkt auf zu lesen und widmet euch den schönen Dingen des Lebens.
Doch wenn ich schon nach außen immer so beherrscht bin, dann will ich wenigstens hier, auf meinem Blog, mal richtig vom Leder ziehen dürfen.
Das Drama nahm bereits vor einigen Wochen seinen Lauf, als uns einer unserer vielen Lieblingsnachbarn offerierte, es gäbe ein Straßenfest und unser Grundstück würde sich mittendrin befinden, so dass wir natürlich eingeladen wären. Bravo, das ist genau unser Ding.
Zum Verständnis: Wir wohnen in einem neu erschlossenen Wohngebiet, was vor allem Familien mit Kindern auserkoren haben, um sich ihren Traum vom Haus zu erfüllen. Denn bei dem aktuell niedrigen Zinsniveau kann sich scheinbar jeder und ich meine wirklich JEDER ein Haus leisten.
Wir haben also unseren direkten Nachbarn, nennen wir ihn mal Herrn Labertasche. -Ich habe nichts zu sagen, quatsche dich aber trotzdem von der Seite an, schließlich habe ich bestimmt, dass wir per du sind.- Wahlweise könnten wir ihn auch Herrn Großgrundbesitzer nennen. -Ich kaufe 1500 qm Land, bin damit der King, habe aber kein Geld mehr die Einfahrt zu pflastern oder Bäume für das Großanwesen zu kaufen, denn die sind ja soooo teuer.-
Aber ich beginne abzuschweifen. Natürlich hat er Kinder, hat schließlich jeder hier.
Die Kinder der Labertasche sieht man allerdings selten, denn wozu das Grundstück nutzen und mit den Kindern spielen, es ist doch bequemer sie im Haus zu halten. Das große Kind Heul-Trute und das kleine Kind Mini.* Herr Labertache also ist der Organisator der Festivität. Gemeinsam mit Herrn und Frau Amisch inkl. Blondschopf-Kind.*
Dann gibt es noch die Räuchers, die qualmen sich durch ihr korpulentes Leben mit den Kindern Kevin und Lucius.* Schichtzuschläge machen es auch für diese Menschen möglich sich ein Haus leisten zu können ohne dabei auf die täglichen Flaschen Bier verzichten zu müssen.
Die Baumeisters, sie werkeln seit über zwei Jahren an ihrem Heim und sind immer noch nicht fertig, auch mit zwei Gören, Ariell und Dario.
Dann sind noch die Maulwurfs*. Da schau her, die haben (bisher) tatsächlich nur ein Kind, sitzen mit diesem aber am liebsten auf der Straße zum Spielen, vermutlich weil Nachmittags der Garten in der prallen Sonne liegt. Oder gibt es sonst noch Gründe auf Asphalt zu sitzen?
Familie Lüfter*, die mögen wir tatsächlich sehr gern, besteht zur Zeit noch aus zwei Erwachsenen, wird sich aber in den nächsten Tagen in ein Dreiergespann verwandeln.
Nicht zu vergessen Opis*, er um die 70 Jahre alt, sie so ca. 40 Jahre, mit Zwillingen, die die zweite Klasse besuchen, bis abends 11 Uhr durchs Wohngebiet toben, nur angeschrien werden und sämtliche Erziehung vermissen lassen.
Und zu guter letzt Familie Puschi; mit Vater Puschi, der am liebsten Oberkörperfrei durch die Straßen läuft, Frau Puschi, die versucht ihre Blondheit durch braune Haarfarbe wegzufertigen und zwei Kindern (7 und 1,5 Jahre alt).*
*Die Namen verfremde ich leicht (aber wirklich nur leicht), nicht dass sich hier noch jemand wiedererkennt.
Das ist die Gemengelage. Alle haben bereits Kinder oder welche in Aussicht und es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Nachbarn, die geistig mit uns auf einer Wellenlänge liegen. Und nein, hier schreibt nicht die verbitterte Alte, die nicht in der Lage ist ein eigenes Kind auszutragen. Die meisten Nachbarn fand ich tatsächlich bereits doof, als wir dachten wir würden uns auch bald Eltern nennen dürfen.
Mit denen allen sollte ich also ein fröhliches Straßenfest feiern. Mit Bier (was wir nicht trinken), Billigfleisch zum Grillen (was natürlich nicht Bio ist, weil viiiiel zu teuer) und Gesprächsthemen wie diesen.
{Na Ariell, wie war der Schulanfang, hast du dich über die tolle Hüpfburg gefreut, die extra gemietet wurde, damit deine Eltern die Räuchers mit ihrer mickrigen Partydeko zu Kevins Schulanfang übertrumpfen?}
{Wie gefällt es dir denn in der Schule Kevin, hast du schon Freunde gefunden?}
{Und Frau Lüfter, was wird es denn? Habt ihr das Kinderzimmer schon eingerichtet?}
{Ach, da haben Opis Kinder den Fußball wieder gegen die Hauswand von den DINKS geschossen, so sind Kinder nun mal.}
{Die Mini sieht ja so süß aus in ihrem rosa Kleidchen, wo habt ihr das denn her? Herr Labertasche: Das haben wir geschenkt bekommen. Genauso wie den Briefkasten, die Wassertanks und die drei Pflanzen, mit denen wir unseren Garten so toll gestaltet haben. Das Pflastern der Einfahrt und die restlichen Dinge, müssen aber warten. Also nächstes Jahr wird das noch nix.}
{Hey Bob Baumeister, hast du noch ein Bier? Klar doch Räuchermann, hier hast du es. Wo ist denn der Öffner? Den brauche ich nicht, ich nehme einfach die Tischkante.}
{Also dem kleinen Maulwurf geht es gar nicht gut, der röchelt in letzter Zeit nachts immer so. Oh, dass ist aber schlecht, mein kleines Puschi Kind hat auch Beschwerden. Ich war beim Arzt und der meinte, es seien noch Blockaden von der Geburt. Wir machen jetzt immer schön Gymastik. Versucht ihr das doch auch mal.}
Ich könnte hier noch endlos weiter schreiben, aber irgendwann wird es langweilig.
Also echt jetzt, auf sowas haben wir keine Lust, so gar keine. Was sollen wir denn da? Interesse heucheln oder uns durch wortloses Dabeisitzen zum Außenseiter machen (obwohl, wir das vermutlich ohnehin schon sind)?
Wir genießen unsere Wochenenden und gestalten sie gern so, wie es uns gut tut. Diese Festivität zählte garantiert nicht dazu und so blieben wir fern. Machten uns einen schönen Tag in der nahe gelegenen Großstadt und schlugen uns die Bäuche voll. Erst mit einem riesigen Eisbecher und dann bei Vap++no. Bevor wir ganz romantisch der Sonne beim Untergehen zusahen. Gegen 22 Uhr trauten wir uns nach Hause zurück. Es wurde natürlich noch ordentlich gefetet. Die Kinder spielten und die Alten tranken.
Nicht zu vergessen der Frühschoppen am heutigen Morgen. Damit wären wir beim Ausgangspunkt meiner kleinen Erzählung. Ich musste zeitig raus, um der ganzen Meute beim ersten Morgen-Bier zu entgehen. Die Reste des gestrigen Tages sollten schließlich nicht umkommen.
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